Futter in der Erziehung – ja oder nein?
Soll man nun Futter als Mittel der Erziehung einsetzen oder nicht? „Das ist Bestechung!“ sagen die einen Verfechter gegen Futter. „Warum nicht? Ich will ja auch was vom Hund!“ sagen die anderen pro Futter.
Frischgebackene Hundebesitzer stehen dem Ganzen meist ziemlich unschlüssig gegenüber. Die Folge sind oft unnötige Fehler, die dazu führen, dass die Erziehung, ob mit oder ohne Futter, nicht in gewünschten Bahnen verläuft.
Wenn man eine neue Welpengruppe beginnt, stellt sich die Diskussion über fressbare Belohnungen ganz schnell. Ich schreibe keinem Menschen vor, es so oder so zu machen, aber ich verlange immer genügend Einsatz des Hundehalters!
So hatte ich es z.B. einmal mit einer Welpenbesitzerin zu tun, die sich strikt weigerte, Futter als Motivations- und Belohnungshappen bei sich zu führen. „Wir schaffen das auch so!“
„Gut“, meinte ich, „aber das bedeutet noch mehr Begabung Ihrerseits, den Hund im richtigen Augenblick in der richtigen Dosis mit ihrer Stimme und der Körpersprache zu fördern.“
Was ich dann in den nächsten Wochen miterleben musste, war leider alles andere als erfreulich. Die Besitzerin hatte überhaupt kein Talent, ihre Stimme sinnvoll einzusetzen und von einem Versuch, die Körpersprache als Ausdruck eigener Motivation zu zeigen, war auch bei gutem Willen meinerseits wenig zu sehen.
Das Ende vom Lied wurde in den kurzen Fußübungen nur allzu deutlich: Man braucht nur fünf Töpfe hintereinander mit jeweils ca. einem Meter Abstand aufzustellen und den Leuten zu bedeuten, sie sollen mit ihrem Welpen an den linken Seite in Schlangenlinien hin und zurück ihr Glück versuchen. Dabei wäre es optimal, wenn die Welpen ihre „Teamchefs“ anschauten, denn dadurch würde alles von allein gehen. Der Weg zum Ziel überlasse ich jedem selbst, aber ohne Futter, Spielzeug, Anfeuern und ermunternde Worte kann es praktisch nicht funktionieren.
Die Frau ohne Futter und ohne jeglichen Körper- und Stimmeinsatz hatte jetzt schlechte Karten. Der Welpe zog überall neugierig hin, während sie immer nur stehenblieb und auf ein Wunder hoffte, das nicht kam. Alle Überredungskünste meinerseits, es doch einmal mit Futter oder wenigstens mit einem Ball oder Quietschtier zu versuchen, wurden fleißig ignoriert.
Futter kann die wirkliche Begeisterung, die ein Mensch in eine Aufgabe mit einbringt, natürlich nicht ersetzen. Das ist wie bei Menschen, die zusammen an einer Projektarbeit sitzen, wobei der eine sich nur aus Geldgründen beteiligt, der andere aber, weil er Spaß an dieser Arbeit hat.
Aber Futter kann die Situation in vielen Fällen verbessern (In unserem Fall vermutlich geeigneter als ein Ball, der ja dann auch nur ziemlich bewegungslos in der Hand gehalten wird, während Futter für sich selbst spricht). Bei Hunden, die nicht besonders verfressen sind, nutzt natürlich auch das beste Futter nichts, aber oft wird das Interesse am Fressen durch die Belohnungslappen gefördert und dann erzielt man doch Erfolge. Ich weiß, dass diese Erziehungsmethode nicht das Beste sein kann, aber in Fällen der völlig untalentierten Hundebesitzer habe ich wenig Entscheidungsmöglichkeiten.
Nehmen wir einen Hund, der sehr schwer ist und seinen Besitzer schnell von den Füßen reißt. Da hat der Besitzer schon viel gewonnen, wenn er ihn in brenzligen Situationen (Autos, Hunde, Kinder) an seiner Seite halten kann. Und wenn das bisher nicht möglich war und jetzt allein durch Futter klappt, warum nicht?
Natürlich versucht man als Ausbilder auch weiterhin, den Einsatz von Stimme etc. zu fördern und es mag sogar so sein, dass durch die neue Bequemlichkeit, die das Futter dem Halter bietet, dies einem noch schwieriger gemacht wird, aber aufgeben sollte man erst nach Jahren. Bei einer Handvoll Besitzer habe ich tatsächlich das Handtuch geschmissen. Durch Desinteresse, Schüchternheit oder sonstigen Gründen blieb es ein Hundeleben lang bei dem Futter in der Hand und einer „tonlosen“ Welt für den Hund.
Die Gefahr generell bei Futter besteht in einem „mechanischen und unkontrollierten Zustopfen des Hundes in jeder Situation und ohne besonderen Grund“.
Futter ist ein recht effektives Hilfsmittel – aber nur, wenn es sparsam und sinnvoll eingesetzt wird. Ein Hund, der immer Futter erhält, wird sich daran gewöhnen wie jemand, der das Kaviarbrot immer griffbereit neben seinem Sessel liegen hat.
Futter ist also, wie jedes andere Hilfsmittel auch, sehr gezielt einzusetzen. Am Anfang benötigen wir noch sehr viele Brocken für sehr viele kleine Einzelschritte, die wir dem Hund beibringen wollen. Beispielsweise beim Fußgehen. Es hat keinen Sinn, das Futter nur beim Angehen und beim Stoppen zu verwenden, sondern wir benötigen es, während wir Fußgehen, dann bei der Rechtswende, bei der Kehrtwende, wenn wir schneller gehen oder langsamer. Erst nach und nach reduzieren wir, bis wir schließlich kein Futter mehr brauchen. Warum brauchen wir es nicht mehr? Weil wir nun in der Lage sind, unsere restlichen Hilfsmittel, nämlich unser Mimik, unsere Stimme usw., so einzusetzen, dass der Hund uns versteht. Wir, der Hund und ich, spielen uns langsam aufeinander ein, wir werden zum Team, das immer weniger auffällige Bestätigung braucht.
Aber es gibt natürlich große Unterschiede unter uns Menschen und Hunden. Leicht lernende Rassen wie die Retriever oder die Collies lernen in der Regel schnell und mit manchmal erstaunlich wenig Lob. Zusammen mit den passenden Besitzern werden das oft genug Traumteams. Andere Rassen haben einen Dickkopf, der einen zur Verzweiflung bringen kann. Nur wenn es sich lohnt, arbeiten diese Hunde mit. Das heißt, dass ich immer wieder mal Futter ins Spiel bringen sollte. Nicht immer und nicht mit Erpressung auf Seiten des Hundes erzwungen, aber gezielt eingesetzt, wird das Üben sicherlich sehr viel mehr Spaß machen. Das Futter dabei wiederholt vorenthalten und nur als Reiz in der Hand zu haben, erhöht in vielen Situationen die Aufmerksamkeit des Hundes.
Eine Frage, die oft gestellt wird, ist die, ob ich den Hund mit meiner Fütterei nicht verderbe. Die Antwort ist schlicht und einfach nein. Es liegt immer in meiner Hand, wann und wie viel Futter verwand wird. Gebe ich allerdings nach, wenn der Hund Futter verlangt, habe ich ein ernsthaftes Problem! Es muss immer ganz klar sein, dass Futter nicht wahllos oder auf Aufforderung gereicht wird, sondern nur für erbrachte Leistung und da auch nur dann, wenn ich es will. Wenn der Hund Sitz perfekt beherrscht, wäre es überflüssig, ihm für jede Befolgung des Kommandos einen Brocken zuzustecken. Mit Futter arbeiten bedeutet also, es sehr bewusst einzusetzen. Immer zu wissen, für was ich es gebrauchen möchte.
Bei Problemhunden aus zweiter Hand kann Futter manchmal Leben retten. Es ist oft genug der einzige Weg, das Eis zu brechen und in die Psyche des Hundes vorzudringen. Hierbei ist es durchaus möglich, die gesamte Futterration nur über das Üben zu geben. Wenn man nach einer Zeit beginnt nachzumessen, wie viel Futter man heute benötigte und dass es vielleicht schon ein bisschen weniger war als letzte Woche, ist das ein Indiz, das es vorwärts geht.
Auch „normale“ Hunde haben oft plötzlich Probleme mit Menschen. Sie werden ängstlich und unsicher. Manche knurren, manche weichen rückwärts aus und einige würden bei einer großen Menschenmenge am liebsten im Erdboden verschwinden. Nach wie vor ist Futter hier ein idealer Weg, um Unsicherheit abzubauen und Neugierde zu wecken. Eingeweihte, unterschiedliche Menschen erhalten leckere Brocken in die Hand gedrückt und müssen den Hund füttern. Auf diesem Weg erzielt man schnell Erfolge und fröhliche, „befreite“ Hunde. Es wäre dumm, in einer solchen Situation daran zu denken, dass man vielleicht einen bettelnden Hund erzieht und dass der „normale“ Hund gefälligst allein diese Angst abbauen muss. Mit Futter ist es nun einmal wesentlich einfacher und man erleichtert dem Hund wirklich das Lernen.
Ob mein mit Futter erzogener Hund zum sabbernden, aufdringlich bettelnden Hund wird oder nicht, liegt einzig und allein bei mir. Wenn ich mit Futter arbeite, muss ich es auch kontrollieren können. Futter hinlegen und „Nein, Du gehst da nicht dran!“ gehört zum Standardprogramm, ebenso wie das Platz bei Tisch. Das Betteln bei fremden Personen mit gut riechenden Taschen wird unterbunden wie alles andere unerwünschte Verhalten eben auch. Abrufen, Ausweichkommando, man kann sich da eine Menge einfallen lassen.
Zum Schluss sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es sehr wohl Leute gibt, die ohne einen einzigen Brocken Futter in der Erziehung ihres Hundes ausgekommen sind. Ich habe zwei Menschen kennengelernt, bei denen es in meinen Augen mit Futter nicht besser hätte klappen können. Das ist wirklich bewundernswert und verdient Anerkennung. Man muss aber auch klar sagen, dass es nicht viele Leute gibt, die mit soviel Talent gesegnet sind und dass es durchaus Hunde gibt, bei denen man ohne nicht auskommt. Wie gesagt, mit Futter zu üben und gleichzeitig auf die eigene Motivation zu achten und sie zu fördern, ist oft schwieriger und verlangt mehr Selbstkontrolle. Das Arbeiten mit Futter kann allerdings auch so viel Sicherheit für den Mensch bedeuten, das ein sinnvolles Üben erst ermöglicht wird.
Ob Futter oder Spielzeug muss man in der jeweiligen Situation entscheiden. Ich habe Hunde gehabt, die sich rein gar nicht für Bälle oder Stricke begeistern konnten und nun habe ich einen, wo ich einen Ball während der Fußarbeit nur sehr bedingt einsetzen kann, weil er ansonsten übermotiviert wäre und letztendlich gar nichts mehr von dem mitbekommt, was er eigentlich tun sollte. Beim Ablegen aus der Bewegung oder beim Spiel sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Futterspiele oder Futterverstecken zur Ablenkung oder kurz zwischendurch sind toll, aber ein Spiel mit dem Ball, der so weit fliegt und hüpft, ist zum täglichen Müdemachen kaum zu ersetzen.